Endlich ist es so weit: Am 21. Juni war Richtfest auf der ProtoPotsdam Schaustelle!
Bei Wind und Wetter erhob sich am längsten Tag des Jahres die fröhlich flatternde Richtkrone – natürlich aus Pflanzenfasern gefertigt, die sich auch in den Baumaterialien wiederfinden. Der Richtspruch beschrieb die nachhaltige Bauweise der sichtbar gewordenen Elemente und stellte das Projekt in den größeren Wirkungszusammenhang seiner eigentlichen Bestimmung; die Idee der Bauwende wurde erlebbar.
Diese erste Enthüllung des kleinen Experimentalbaus zog ein bunt gemischtes Publikum an und machte neugierig auf mehr. Die tragenden Lehmwände mit dem Sockel aus wiederverwendeten Ziegelsteinen und die Robinienstützen stehen, und das auskragende Holzdach ist auch schon drauf. In den nächsten Tagen kommen Türen und Einbauten aus recycelten Baustoffen und Materialresten hinzu, die derzeit in den Werkstätten des Haus der Materialisierung gefertigt werden. Und das ist noch nicht alles: Eine Komposttoilette und ein Regenrückhaltebecken sind auch noch geplant!
Noch fehlt der Oberflächenschliff, aber mit unserer Schaustelle präsentiert Bauhaus Erde bewusst auch Ungehobeltes und lädt damit alle Beobachtenden ein, sich mit eigenen Vorschlägen und Ideen einzubringen. So wird ProtoPotsdam zu einem gemeinsamen Experimentier-, Denk- und Diskursraum. Der Entstehungsprozess läuft bereits seit vielen Monaten und wird sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen, indem immer wieder neue Elemente hinzugefügt und ausprobiert werden. Im Anschluss an das Richtfest fand ein Ausklang im Rahmen der Fête de la Musique Potsdam statt. Die lokalen Musiker*innen DJ SUGABAM und Greenlight spielten für alle Besucher*innen bis spät in den Abend.
Im Herbst wird unsere Dauerausstellung eröffnen, die die Zusammenhänge zwischen dem vor Ort anfassbaren Material und dem übergeordneten Konzept des Bauens innerhalb planetarischer Grenzen näherbringt.
Unser Programm für den restlichen Sommer findet ihr hier.
ProtoPotsdam ein leuchtend Beispiel sei
wie man baut ohne CO2
zu emittieren, beziehungsweise
es einzulagern kiloweise.
Wir suchten aus der Region die besten Leute;
und Ihr habt dieses Gebäude
handwerklich präzis zusammengefügt
sodass man’s auch wieder auseinander kriegt.
Und lange bleibt in der Verwertungskette
auch nach dem Rückbau noch diese Mittelpfette,
als Deckenbalken lebe sie weiter gar
noch mindestens 200 Jahr!
Zum festen Grund verbindet Luft, Wasser und Chemie
das Recyclingschotter-Fundament – es ist voller grauer Energie.
Darauf gemauert, mit Liebe und Geschick
aus gepresster lehmiger Erde Stück für Stück
über dem Altziegelsockel eine tragende Wand
in herkömmlichem, altbewährtem Mauerverband.
Schön ist daran (unter anderem), dass man sie restlos wieder zerbröseln kann
und zurückbringen, woher genommen: aus Marzahn.
Wir wussten: gar nicht sehr tief unten
wurde hier überall Torf vorgefunden.
Und wir sehen: seit 300 Jahren trägt am End
dies schöne Ensemble ein Rüdersdorfer-Kalkstein-Fundament.
Um zu prüfen, wie viel es auch heut noch trägt,
wurde es vorsichtig wieder freigelegt.
Mit Ziegeln wurd’s verstärkt; und draufstand mal
der Soldatenkinder Knabentrakt und großer Speisesaal.
Die Rundholzstützen für den neuen Pavillon
aus Nachhaltigkeitsgründen
sich ausnahmslos – Ihr ahnt es schon –
auf jener uralten Bausubstanz befinden.
Fachkundig ertüchtigt für ein zweites Leben,
kann solch altes Trapezblech die Dachhaut abgeben.
Damit nicht genug: es ist nur geliehen (!), und geht zum Glück
fürs dritte Leben nach Gebrauch zum Sammler zurück.
Es ist nun aufgerichtet, Philipp: lös das Seil geschwind,
auf dass sich heben kann die Krone! (wir schon alle hungrig sind).
Genug bald der Worte, der Tisch ist gedeckt:
wir haben – nicht ohne Gründe – ein Menü ausgeheckt,
das Jägern und Sammlern gleichermaßen schmeckt.
Doch bevor wir gleich miteinander feiern und genießen,
lasst uns gemeinsam den ersten Schluck auf die Erde gießen,
zu zeigen: wir meinen es ernst (und wer will, kann auch beten):
wir erkennen und respektieren die Grenzen dieses Planeten!
So lasst Euch feiern heut, für all Euer Mittun zum Dank
stoßt mit uns an, und stärket Euch mit Speis und Trank.
Text: Angelika Drescher, Projektleiterin ProtoPotsdam
Wir danken den öffentlichen Förder*innen:
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur Land Brandenburg (MWFK)
Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
Wir danken der Grundstückseigentümerschaft für die vertrauensvolle Überlassung der Fläche und Unterstützung durch temporäre Bereitstellung weiterer Flächen, Medien etc. auf dem Gelände:
Stiftung großes Waisenhaus zu Potsdam, Rene Schreiter
Wir danken den Forschenden, die die systemischen Grundlagen vertiefen, für eine zukünftige Bauweise, die hilft, durch natürliche Kohlenstoffsenken und langfristige Einlagerung von CO₂ die Atmosphäre zu entlasten und die Erderwärmung aufzuhalten:
TU Berlin FG Stadtökologie, Prof. Dr. Galina Churkina mit Studierenden
TU Berlin FG Kreislaufwirtschaft, Prof. Dr. Susanne Rotter mit Studierenden
TU Berlin FG Natural Building Lab, Prof. Eike Roswag-Klinge und Moritz Henes mit Studierenden
HNEE FG Wald und Umwelt, Prof. Martin Welp mit Studierenden
HNEE FG Forstnutzung und Holzmarkt, Prof. Tobias Cremer mit Studierenden
HNEE FG Holzingenieurwesen, Prof. Markus Jahreis mit Studierenden
FH Potsdam, Forschungscluster,
Wir danken den Handerwerker*innen und allen Bauhelfer*innen, die fachkundig zum Gelingen beigetragen haben:
Erdbau, Garten- und Landschaftsbau: BCM GaLaBau Potsdam UG, Heinemeyer, Phillip Klein
Zimmerer-Arbeiten: Jonathan Heck, Konstruktiv eG,
BauhausErde LAB, Berlin Marienpark
Knobelsdorff-Schule, OSZ Spandau
Dachdecker-Arbeiten David Krüger
Maurer-Arbeiten Martin Englisch Planen&Bauen GmbH
Ausbau: Woodbrothers
Logistik: Botanico, Klatt-Transporte, Fachhochschule Potsdam u.a.
Gerüstbau Rosenfeld GmbH
Haus der Materialisierung:
Materialmaffia, BAUFACHFRAU Berlin e.V.,
Kunst-Stoffe e.V., Mitkunstzentrale
Wasseranschluss: Schaller Heizungs- und Sanitärbau GmbH
Komposttoilette: Finizio GmbH
Elektroarbeiten: Berlin Technischer Service Stefan Dotterweich,
Wir danken allen Planenden:
Objektplanung Forschungskonsortium: Bauhaus der Erde mit TU Berlin FG Natural Building Lab und ZRSGvA mbH
Bauüberwachung: ARGE:3000 UG (haftungsbeschränkt)
Tragwerk: ZRS GvA mbH
Brandschutz: ZRS GvA mbH
Wassermanagement: bgmr Landschaftsarchitekten GmbH
Zertifizierung Lehm: ZRS Ingenieure GmbH
Archäologie: Archäologiemanufaktur GmbH
Bodengutachten, Altlasten: Maul + Partner
Baugrund: Ingenieurbüro GmbH
Vermessung: Malon & Cuda Vermessungsingenieure ÖbVI
Gutachten Holzqualitäten: Holzbau Matthé, Jonathan Matthé
Rundholz-Arrangement: Christoph Knüppel Architekten & Dipl.-Ing. Amir Moll
Wir danken besonders für die laufende Bild- und Tondokumentation:
414 Films Morgenstern Franke Tschesch GbR
Wir danken für die tatkräftige Unterstützung aus der direkten Nachbarschaft:
Haus der Natur – Mitnutzung WC, Geschirr und Internet per Richtfunk
Rechenzentrum – Räume, Möbel, Werkzeuge, Aushilfe, wo es geht
Cora – für die wunderschöne Richtkrone!
Wir danken der Stadtverwaltung Potsdam, Bauamt, für die geduldige Begleitung dieses ungewöhnlichen, experimentellen Prozesses.